Wie gehe ich mit Ansprüchen und Gerechtigkeit in einer Partnerschaft um?

Laut Definition bedeutet Anspruch folgendes: Ạn·spruch: 1. Erwartungen, die jmd. an jmdn. oder etwas stellt ("hohe Ansprüche an jemanden stellen"), 2. ein Recht, das jmd. auf etwas hat bzw. zu haben glaubt ("auf etwas Anspruch erheben/haben). Synonym: Anrecht. 
Es ist in diesem Zuge schon sehr interessant, dass eine Definition aus einem Wörterbuch etwas ganz entscheidendes, psychologisch wichtiges hervor hebt: ein Recht, das jmd. auf etwas zu haben glaubt. Wir haben oftmals die Vorstellung, dass wir ein Recht hätten auf etwas bestehen zu können, dass der Partner sich ändert, die Schwiegermutter nie wieder vorbei kommt, es irgendwie einen gerechten Ausgleich gibt usw.. Die Frage ist, wer hat das Rechtssystem in die Partnerschaft implementiert? In der Regel kulturelle, gesellschaftliche und mediale Einflüsse, Eltern, frühere Beziehungen, eigene Erfahrungen, aber niemand hat jemals ein Gesetzbuch über Beziehungen geschrieben. Wenn nun auf Gerechtigkeit, Ausgleich und Gleichberechtigung bestanden wird, entsteht letztlich das Problem, da es keinen Referenzwert gibt. Wann ist die Gerechtigkeit denn wiederhergestellt? Wer definiert das? Wenn ein Partner untreu wird, wie oft "darf" der andere fremdgehen, um einen Ausgleich zu schaffen? Ein Mal oder zehn Mal? Das Gefühl ein Anrecht auf etwas zu haben, besteht erst einmal nur in der eigenen Realität und kann die Entstehung von Problemen weiter fördern. Zumal es meiner Meinung nie in einer Partnerschaft gerecht zugehen kann. Eine Partnerschaft ist immer mit Abstrichen, Kompromissen und Zurückstecken verbunden. Eine wichtige Frage ist daher, welche Bedeutung gebe ich diesem Kompromiss? Die Vorstellungen und Ansprüche, die wir an andere und uns selber haben, führen in vielen Fällen zu sogenannten Soll-Ist-Differenzen. Sprich mein Partner verhält sich anders als ich es von ihm erwarte. Dann habe ich mehrere Möglichkeit, um die Diskrepanz zwischen dem Ist- und dem Sollzustand zu minimieren: ich zwinge meinen Partner, dass er sich so verhält wie ich es möchte (was in der Regel nicht funktioniert oder zu späteren Konflikten führt), ich tue alles um den Sollzustand zu erreichen, was aber mit Anstrengung und Energie verbunden ist oder ich gebe meine Vorstellung des Sollzustandes auf und passe den Sollzustand an den Istzustand an, anstatt umgekehrt.



Ihr werdet jetzt vielleicht sagen "Nein, das sehe ich gar nicht ein. Es geht hier ums Prinzip!" oder "Warum soll ich mich denn ändern oder was anders machen, wenn der andere Mist gebaut hat?" Berechtigte Einwände, die aber meines Erachtens nichts bringen, weil sie ja die Unzufriedenheit mit der Situation nicht verändern, sondern in der Regel nur verstärken. Ich richte dann den Fokus auf das was nicht funktioniert anstatt das zu sehen was funktioniert. Wenn ich aber versuche meine Vorstellung von der Situation, dem Partner, dem Beruf usw. zu verändern und anzupassen, kann ich zum einen aus einer neuen Perspektive auf das Ganze schauen und zum anderen mich anderen Dingen zuwenden, die mir gut tun. Das Aufgeben von Ansprüchen und Vorstellungen klingt erst einmal ein wenig suspekt, da es den Tenor bekommen könnte, man würde sich selbst aufgeben. Aber genau das passiert nicht. Ich erlange durch das Aufgeben von Ansprüchen, Erwartungen und Vorstellungen Freiheit und somit mehr Autonomie als jemals zuvor. Ich bin nicht mehr Sklave des Handelns anderer, sondern kann für mich bestimmen, ob ich weiter an einem Wunschzustand festhalten oder mich neuen Perspektiven zuwenden möchte. Dieser Gedanke kann sehr erleichternd sein und mir neue Möglichkeiten das Leben zu betrachten bringen. 

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